Vocaldente
Stefan Friedrich
Stefan Friedrich

Sänger und Publikum schwimmen auf einer Welle

Vaihingen. Freunde der gepflegten Vokalmusik auf hohem Niveau sind am Mittwochabend beim Kultursommer Vaihingen voll und ganz auf ihre Kosten gekommen. Dem Auftritt von Vocaldente aus Hannover gelang die Balance zwischen witzigen Moderationen, Interaktion mit dem Publikum – Grüße gehen raus an Sabine alias Birgit – und fesselnden Arrangements, bei denen die fünf Sänger sich ganz auf die erstaunlichen Möglichkeiten der menschlichen Stimme zwischen Rhythmik und Gesang verließen. Dafür gab es am Ende sogar stehende Ovationen am Enzdamm.

Nun versteht es sich zunächst von selbst, dass das Team des Kultursommers bei der Auswahl der Künstler, die auf der Bühne am Enzdamm auftreten dürfen, auf Qualität achtet, doch Tobias Kiel (1. Tenor), Benjamin Boresch (Countertenor), Jakob Buch (2. Tenor), Lars Unger (Bariton) und Tobias Pasternack (Bass) legen die Latte an diesem Abend schon ziemlich hoch – gerade weil es ihnen gelingt, bekannte Songs vom Charterfolg bis zum Evergreen in ein ganz neues Kleid zu verpacken und ihr Programm mit humorvollen Moderationen zu würzen, bei denen sie sich auch selbst nicht schonen. Pasternack kann ein Lied davon singen. Bemerkenswert ist dabei immer wieder die hohe Intensität und Dichte ihrer Interpretationen, die einerseits ein fast schon intim-familiäres, weil an sich sehr intensives Momentum versprühen, andererseits aber auch immer wieder lustige Facetten an sich haben, die Spaß beim Zuhören und auch Zuschauen machen.

„Wir freuen uns wahnsinnig, heute Abend hier zu sein“, begrüßen sie das Publikum und bedienen sich dabei offenkundig nicht einfach nur einer Floskel; sie scheinen sich tatsächlich wohlzufühlen am Enzdamm. Diese Leichtigkeit und Sangesfreude lassen sie das Publikum von Anfang an spüren, als sie mit dem Georg-Michael-Klassiker „Faith“ in einem lebendig gehaltenen Arrangement ein erstes Ausrufezeichen setzen. In dem Kontext finden sie es gleich „fantastisch, dass quasi ganz Vaihingen an der Enz die Hütte heute vollgemacht hat“ und erklären schnell noch den Stil, den sie pflegen, bevor es dann so richtig hineingeht in das facettenreiche Vergnügen mit den ansprechendsten Seiten der Vokalkunst. Diesen Stil beschreiben sie selbst als „a capella art“, was eben nichts anders bedeutet, als „dass alles, was ihr heute von uns hört, mit unseren Stimmbändern und unseren wohlgeformten Körpern produziert wird“, der ihnen eigene obligatorische Körperschwung natürlich inklusive, der bei „Rhythm of the night“ ein erstes Mal zur Geltung kommt.

Vocaldente haben an diesem Abend offenkundig ein feines Gespür für die Vorlieben des Vaihinger Publikums, das sie immer wieder abholen und nicht zuletzt bei einem Rapsong auch direkt mit einbinden, als es gewissermaßen mit großem Background-Chor „Hoch hinaus“ gehen soll. Das funktioniert richtig gut. „Das ist ja unglaublich“, schwärmen die fünf Sänger, die aus Hannover kommen und nach stundenlanger Anfahrt über die Autobahn „eine halbe Ewigkeit durch den Wald“ gefahren sind. „Und dann kommt man hier an, wo einfach so die Stimmung bis in den Himmel gestiegen ist. Das ist ja unfassbar. Was nehmt ihr denn?“ Vocaldente sind sichtlich begeistert von der Energie, die spürbar über dem Gelände liegt. Da ist dann ja gerne mal die Rede vom Funken, der übergesprungen ist, doch das wäre in diesem Fall fast schon untertrieben. Sänger und Publikum schwingen an diesem Abend auf einer Welle, haben miteinander Spaß, wenn Vocaldente Songs mit bissigem Humor offerieren („Gestern Nacht ist meine Freundin explodiert“, Die Ärzte) oder mit „Ich wollt ich wär' ein Huhn“ einen echten Klassiker bedienen, der auch heute noch funktioniert, wenn er so feinfühlig und witzig zugleich auf die Bühne gebracht wird, wie sie das getan haben.

Dazu geben sie lustige Anekdoten preis, wenn sie etwa über ihre Konzertreise nach Indien erzählen, wo sie einen Bollywood-Song in indischer Sprache vorbereiten sollten, den natürlich auch das Vaihinger Publikum zu hören bekommt, oder sinnieren darüber, dass der Merchandising-Tisch ein guter Platz zum Flirten ist, wo Frauen auch mal einen Zettel mit ihrer Telefonnummer für den ersten Tenor hinterlassen, der selbstredend auch „alle drei Telefonnummern aufgehoben“ hat.

Das hat alles Witz und Charme und die „emotionale Erpressung“, ohne Zugaben nicht von der Bühne zu dürfen, ist am Ende deshalb auch gar nicht mehr vermeidbar. Genossen haben es Vocaldente trotzdem, wie auch die Besucher am Mittwochabend den Auftritt dieses glänzend aufgelegten Vokalensemble genossen und am Ende folgerichtig mit donnerndem Applaus sowie stehenden Ovationen gewürdigt haben.