Dui do on de Sell
Stefan Friedrich
Stefan Friedrich

Sarkasmus und Selbstironie beim Vaihinger Kultursommer

Vaihingen. Bühnenprogram top, Wetter flop: So lässt sich der Dienstagabend beim Vaihinger Kultursommer zusammenfassen, nachdem es plötzlich Herbst geworden ist, und das im Hochsommer – mit Folgen eben auch für „Dui do on de Sell“, die am Dienstagabend nicht, wie eigentlich geplant, am Enzdamm spielen konnten, weil die Veranstaltung kurzfristig in die Stadthalle verlegt werden musste. Auf die Qualität des Abends hatte das freilich keinerlei Auswirkungen, den „Dui do on die Sell“ alias Petra Binder und Doris Reichenauer zeigten sich, wie ihre Fans sie kennen und schätzen, mit schnellem schwäbischen Mundwerk, schlagfertig und vor allem verdammt witzig auf ihre ganz besondere, charmante Art, die Sarkasmus und Selbstironie so herrlich auf den Punkt bringt, indem sie den Finger so raffiniert und gnadenlos in die Wunden dieser Zeit legt, dass kaum Zeit bleibt, zwischen zwei Lachern zu verschnaufen.

Keine Chance, die Tränen zu trocknen

Was die beiden auf der Bühne machen, ist vielleicht aber auch die einzige Chance, den alltäglichen Wahnsinn zumindest mal für ein paar Stunden zu durchbrechen und dem Leben in dieser Zeit seine oft verloren gegangene Leichtigkeit zurückzugeben – zumindest, wenn man es so humorvoll und selbstironisch angeht, wie Binder und Reichenauer das tun. Lachen ist die eben doch beste Medizin, grade auch dann, wenn es einem mal schlecht geht. Und ein Tag ohne Lachen ist eigentlich schon ein verlorener Tag. Diesem Credo scheinen sie sich die beiden Vollblut-Kabarettistinnen verpflichtet zu fühlen, die sich nicht nur wunderbar ergänzen, sondern an diesem Abend auch ein bemerkenswert hohes Tempo vorlegen. Die Gagdichte ist atemberaubend, es geht Schlag auf Schlag, kaum eine Chance, die Tränen zu trocknen. Die Pointen fliegen den Besuchern regelrecht um die Ohren und die haben in der Stadthalle dementsprechend ihren Spaß daran, wenn „Dui do on die Sell“ in Geschichten aus dem Eheleben über ihre beiden Männer herziehen und sich dabei auch selbst nicht schonen.

Wenn es bei ihnen im Schlafzimmer so heftig zugeht, dass bei den Nachbarn am Ende das Kopfkino läuft, dann war es doch nur ein Wadenkrampf, der nicht mehr wegging. Und das Tattoo von Oma Anke wird eigentlich zum Statement „Atomkraft, nein danke“ – sobald man die schlaffe Haut auseinanderzieht. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie eigentlich trocken solche Pointen gesetzt werden, als wären es kleine Nebensächlichkeiten, die am Ende doch große Wirkung auf das Zwerchfell der Besucher haben, die sich zweieinhalb Stunden lang königlich amüsieren. Das Setting selbst ist dabei eingebettet in die Überlegungen, eine Party für Ehemann Gerhard zu machen, der 60 wird. Dazu braucht es irgendwie ein nettes Gedicht. Die Ansätze dafür sind selbstverständlich urkomisch und ziehen sich wie ein roter Faden durch ein Programm, das viele Themen des Alltags streift, von der falschen Verwendung einer Bräunungscreme mit anschließendem Arztbesuch, bei dem man dann warten muss, bis man schwarz wird, bis hin zur Feststellung, dass das nervtötende Piepsen von Warntönen im Auto vollkommen überflüssig ist. „Wenn i rückwärts fahr, mir langt des, wenn d´ Fußgänger schreiet. Des hör ich glei.“

Hier und da nehmen sie das Publikum mit ins Boot, allerdings sehr dosiert. Keiner muss Angst haben, dass er angespielt wird, auch wenn man mal kurz nach draußen muss. „Keine Sorge, ich tu dir nix“, witzelt Petra Binder, die einen kurzen Moment gedacht hatte, da käme jetzt ihr Ehemann Gerhard auf die Bühne, über den sie eine Anekdote nach der anderen erzählt, wie auch Doris Binder ihren Dieter nicht schont und überhaupt Familie und Freunde einen großen Teil des Programms ausmachen, ohne selbst anwesend zu sein.

Da erkennt sich auch der ein oder andere im Publikum schnell wieder und sicherlich auch deshalb tut das Lachen über Situationen, die im Alltag vielleicht belastend sein können, so gut. Humor darf alles, wenn er heilsam ist, und es ist gut, dass an diesem Abend kein Moralapostel in der Stadthalle gewesen ist, der ab und an den Zeigefinger gehoben hätte. Was die beiden da machen, ist schließlich nicht mal im Ansatz diskriminierend, sondern viel mehr Balsam für die Seele, und wie sehr das gebraucht wird, wie wichtig es ist, über andere und auch über sich selbst lachen zu dürfen, das hat dieser Abend eindrucksvoll gezeigt.

Und wenn das Publikum dann so herzhaft lacht und so viel Spaß hat, dann wirkt das ungewollt auch ansteckend auf die beiden Protagonistinnen oben auf der Bühne, die im zweiten Teil einmal so herzhaft mitlachen müssen, dass Doris den falschen Text hat und ihre Kollegin damit kurzzeitig verwirrt. Schlagfertigkeit und Charme treffen nicht nur in diesem Moment aufeinander; eine große Kunst, die die beiden da beherrschen. Sie sind auch sichtlich froh, dass die Zeiten einer Pandemie vorbei sind, in denen sie entweder vor Autos spielen mussten oder Menschen nicht mehr ins Gesicht sehen konnten, weil diese eine von den gefährlichen Masken aufhatten. Gefährlich deshalb, weil man mit solchen Masken schnell mal den falschen Mann vom Einkaufen mit nach Hause nimmt, auch wenn der Männertausch an sich nicht nachteilhaft gewesen wäre.

Am Ende bleibt da vor allem auch die Erkenntnis: Reg dich nicht auf, nimm das Leben mit Humor. Es ist auch so schon herausfordernd genug und Miesmacher braucht dieses Land derzeit am wenigsten, Kabarettistinnen wie „Dui do on die Sell“ schon deutlich mehr.