Hände hoch
Stefan Friedrich
Stefan Friedrich

Kelvin Jones zündet ein Feuerwerk der Emotionen

Vaihingen. Die Frage, wie nahbar ein Künstler ist, schwebt fast so ein bisschen über den ersten Tagen dieses Kultursommers am Vaihinger Enzdamm. Während die einen lieber in der Distanz bleiben, zeigte ein anderer am Montagabend, wie man tatsächlich zusammen Spaß haben und feiern kann. Der unter anderem aus der Sendung „Sing meinen Song“ fernsehbekannte Singer-Songwriter Kelvin Jones kannte weder Allüren noch Berührungsängste und sorgte vor allem auch deshalb dafür, dass an diesem Abend eine ganz besondere Energie über dem Gelände lag, die man in dieser intensiven Form tatsächlich nur selten erlebt.

Hanna Rautzenberg mit toller Gesangsstimme

Er war allerdings nicht der Einzige, der an diesem Abend seinen Auftritt auf der Bühne des Kultursommers hatte. Die erste halbe Stunde gehörte Hanna Rautzenberg, die als Ausnahmetalent gilt und jüngst erst mit Musiker Mayberg als Supporter bei einigen Shows unterwegs war; eine Name also, den man sich besser merken sollte. Zumal Rautzenberg auch musikalisch dabei ist, sich zu finden, ein Thema, das sie beispielsweise auch in ihrem Song „In-Betweener“ beschreibt. Was nicht nur hier schnell auffällt: Anders als viele hoffnungsvolle Sängerinnen ihrer Generation, die sich über diverse Formate im Fernsehen versuchen, hat sie tatsächlich eine tolle und prägnante Gesangsstimme, trifft verlässlich die Töne und überzeugt zudem mit ihrer charmanten Art, die selbst ein kleines Malheur in der Aufregung sehr sympathisch überspielt.

Im Oktober ist sie nach Leipzig gezogen „und das war für mich nicht ganz so einfach“, verrät sie dem Vaihinger Publikum; es sei sogar eine echte Herausforderung gewesen, „neue Wurzeln zu schlagen, ohne die Sicherheit von Mama und Papa“. Auch das hat sie in einem eingängigen Song verarbeitet, mit dem sie sicherlich vielen ihrer jungen Fans aus der Seele spricht, die ihr entsprechend gebannt gelauscht haben und später natürlich auch gerne mit einstimmten, als sie zum Singalong bat.

Das war an sich schon ein gelungener Auftakt in den Abend, doch der sollte seinem eigentlichen Höhepunkt erst noch entgegensteuern – als Kelvin Jones die Bühne betrat; ein Mann, mit einer ungeheuren Bühnenpräsenz, wie man sie nur selten sieht. Anfangs füllte er ganz alleine die Bühne, nur er und seine Gitarre, und sorgte bereits mit seiner leisen Art für Gänsehaut, als er von seinen Anfängen erzählte, wie er vor nur drei Leuten gespielt hat und sich riesig darüber freute. Diesen Wurzeln ist er bis heute treu geblieben.

Wenn Jones sagt, dass es für ihn nichts Schöneres gebe, als gemeinsam mit seinen Fans zu feiern und einen schönen Abend zu haben, dann wirkt er nicht nur absolut authentisch, er ist es auch. Denn er genießt lange nach der Show noch das Bad in der Menge, freut sich über jedes Selfie und ist immer ganz nah bei seinen Fans. Das ist ebenso bemerkenswert wie eindrucksvoll, zumal er auch während der eineinhalbstündigen Show gezeigt hat, dass er diese Nähe nicht nur sucht, sondern eigentlich auch braucht.

So ruhig wie zu Beginn seines Auftritts sollte es nicht den ganzen Abend über zugehen, denn Kelvin Jones ist nicht nur der in sich gekehrte leise Musiker mit Texten, denen man unbedingt lauschen will, er ist auch ein grandioser Partymacher, der es liebt, über den Mittelgang mitten rein ins Publikum zu gehen. Ein echtes Energiebündel, das hier an diesem Abend nicht nur ein Feuerwerk der Emotionen gezündet, sondern auch viel über sich preisgegeben hat. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich all das irgendwann tun würde, als ich mit neun Jahren nach England zog“, sagt er über seine Wurzeln in Simbabwe. Die Liebe, die er von seinem Publikum spürt und für die er sehr dankbar sei, stellt er nicht erst am Ende heraus; immer wieder betont er, wie wichtig sie ihm ist. Die meiste Zeit spricht er auf Englisch. Wenn er seinen Gitarristen lobt und sich als dessen größter Fan outet oder wenn er das Publikum animiert mitzumachen, dann wechselt er aber auch kurz ins Deutsche. „Alle Hände hoch“, ruft er, „alle springen mit.“ Zu den treibenden Rhythmen und dem satten Sound, der übers Gelände fegt, fällt das leicht. Kaum jemanden hält es da noch auf den Sitzen, es ist eine riesige Party, die sie hier gemeinsam feiern. „Wow, das macht Spaß“, ruft Kelvin Jones, der selbst kaum zum Luftholen kommt, wie er auch dem Publikum kaum Zeit zum Durchschnaufen lässt. Muss er auch gar nicht, denn hier will eigentlich keiner, dass diese Party schnell zu Ende geht, auch wenn sie das natürlich irgendwann tun muss, und wie fast immer in solchen Fällen: viel zu früh.

Gegen 23 Uhr setzt sich Kelvin Jones ans Klavier, ein letzter Song, den sie alle als Zugabe gefordert haben, und verabschiedet sich aus Vaihingen – nicht ohne schnell noch auf den Oktober hinzuweisen, wenn er in Stuttgart auftreten und sich freuen wird, wenn er dann den einen oder anderen aus Vaihingen dort wieder sehen darf. Das sei ihm sogar lieber, als wenn Merchandising-Artikel verkauft werden, sagt Jones. Er ist eben trotz seines Erfolgs ein bodenständiger und nahbarer Star zum Anfassen geblieben, ein Künstler ohne Allüren.

Gut zu wissen, dass es in dieser Branche auch solche Menschen gibt.