Michael Krebs
Stefan Friedrich
Stefan Friedrich

Zwischen Geistesblitz und Peinlichkeit

Vaihingen. In der Krise liegt die Chance. Davon ist Michael Krebs zutiefst überzeugt. Die Grenzen zwischen Geistesblitz und Peinlichkeit sind bei dem Musikkabarettisten fließend, wenn er zwischen Klimakatastrophe, Algorithmen und machtgeilen Schwurblern unterwegs ist und dabei liebend gerne den direkten Kontakt zum Publikum aufnimmt, das er bei seinem Auftritt am Sonntagabend im Rahmen des Vaihinger Kultursommers nicht nur sehen konnte; er spannte es auch gleich fröhlich als Background-Chor ein.

Krebs ist offensichtlich ein hellwacher Musikkabarettist, bei dem man besser nichts im Auto vergessen haben sollte, ohne direkt angespielt zu werden, im Zweifel auch mitten im ersten Song. In Sachen Krisenbewältigung kennt er sich eben aus, der Michael Krebs. Das hat er schon bei seinem Klavierlehrer erkannt, dem er im Zweifel auch mal die gute Laune verderben konnte, weil das „g“ nicht sauber genug gestreichelt wurde. Wenn das die Damen in der Musikbranche wüssten, sinnierte er; Sängerinnen wie Helene Fischer, die Emotionen nur mit einem Hauchen vorgaukeln und alle fallen drauf rein. Allein das Merci Cherie beim 80. Geburtstag von Udo Jürgens: Krebs fehlen natürlich nicht die Worte zu beschreiben, wie furchtbar das gewesen sein muss, und das Publikum fühlte sich ein weiteres Mal bestens unterhalten an diesem über zweistündigen Abend, der für viele Lacher sorgte und ganz nebenbei auch zum Mitsingen animierte, als Krebs nämlich einen zweistimmigen Gospelchor brauchte, um sein Trostlied zu unterfüttern, eine Art persönliche Krisenbewältigung für ihn.

„Ich habe festgestellt, dass die Welt mittlerweile oft so lustig ist, dass die Leute zu mir abends gar nicht mehr kommen, um zu lachen“, bemerkte er zwischendrin. Anderswo mag das so sein, das Vaihinger Publikum ist aber anders.

Es liebt die gepflegte Pointe offenkundig und weiß zu schätzen, wenn sich der Künstler selbst nicht zu allzu ernst nimmt, weil sein Programm dadurch herrlich authentisch wird und der tiefere Sinn hinter einem schnellen Witz trotzdem erkennbar bleibt. Da sind die ausfallenden Haare nur die geringste Sorge, auch wenn das Publikum sich dafür ausspricht, sie einfach alle abzurasieren. Womit aber hätten das die übrig gebliebenen Haare verdient, die sich so tapfer gegen das Ausfallen gewehrt haben? Krebs nimmt solche kleinen Alltagsdramen raffiniert auf und nimmt ihnen dadurch geschickt die Dramatik, ohne sie dabei der Lächerlichkeit preiszugeben. Krisen gehören eben zum Leben dazu, und manchmal sind sie auch ganz schön komisch, wenn ein Donald Trump dazu rät, Desinfektionsmittel gegen ein Coronavirus zu trinken, und wenn selbst ein Volker Wissing nicht als Verbesserung gegenüber Andi Scheuer wahrgenommen wird. „Das kann man nicht mehr steigern.“

Aber man kann es herrlich auf die Spitze treiben, so wie Krebs das immer wieder getan hat. Da gab es im zweiten Teil auch ein paar wichtige Life Hacks für das Vaihinger Publikum, bei dem er sich nach eigener Aussage sauwohl gefühlt hat: „Wenn ihr in Eurer Küche zu Hause die Temperatur auf sieben Grad runterregelt, dann könnt ihr die Kühlschranktür offen lassen.“ Und auch wenn er sichtlich kein Freund von stupiden, weil komplett inhaltsbefreiten Meditationen ist, nutzt er deren musikalischen Duktus ebenso geschickt, um seine eigene mit O-Tönen unterlegte Krisenspirale zu drehen, wie er auch herrlich die Moll-Dur-Schwäche bei Musikern analysiert, die im Zweifel zu einem gänzlich ungewünschten Ergebnis führt. Das moll-Motiv von Darth Vader einfach mal in Dur übertragen, oder den Hochzeitsmarsch in dezentem Moll-Ton gespielt, das hat plötzlich einen ganz neuen Klang, wenn auch sicherlich nicht den gewünschten.

Lustig ist es obendrein und genau das soll es ja auch sein an seinem solchen Abend, bei dem sich das Publikum von einem ebenso gut aufgelegten wie virtuosen Künstler so gut unterhalten fühlen durfte, dass es ihn nach dem genialen Mutmach-Mantra – mithilfe umgetexteter Charterfolgen und Filmmusiken – ohne Zugabe nicht von der Bühne ließ. Am Ende ging er mit einem Motto, mit dem ein selbsternannter Youtube-Coach das Leben aller verbessern will: „Du kannst nicht immer der Beste sein, aber Du kannst Dich immer dafür halten“.